2008/07/25

Musik hat kein Verfallsdatum....

...Reviews aus der Mottenkiste

The Kat Cosm – Knightboat (Staubgold)

Hier fühlt sich offenbar jemand in allen potemkinschen Dörfern Böhmens zuhause. Shoegazerhafter Gesang, impressionistische Klaviertupfer und eine akkustische Gitarre, an der Nick Drake, Gott hab ihn selig, seine dunkle Freude gehabt hätte: all das und die unaufdringliche Verwendung elektronischer Hilfsmittel gibt sich auf dieser Mini CD des in Berlin ansässigen Songwriters Sebastian Skalei die Klinke in die zarte, gebrechliche Hand. Die angefügten Remixe von Leafcutter John, Tenecke und Mondomarc (der ganz offensichtlich MIRWAIS gehört hat.....) runden das Bild, das ich hier versuche in den schönsten Farben zu malen. Dolle Platte!

Rand & Holland – Tomorrow will be like today (Staubgold)

Hinter Rand & Holland verbirgt sich Brett Thompson, quasi ein Urgestein der Experimentalmusikszene von Sydney, wo er zusammen mit Chris Townend und Scott Horscroft das Bigjesusburger Studio betreibt. Townend wiederum hatte im Frühjahr 2003 zusammen mit dem renommierten Gitarristen Oren Ambarchi eine famose Platte unter dem Namen SUN herausgebracht. Und so schließt sich der Kreis, denn neben Townend und Horscroft wirkt auch Ambarchi an „Tomorrow will be like today“ mit, einem Album, das ganz ähnlich wie SUNs Veröffentlichung konventionelle Songstrukturen aufweist. Man kann eben nicht den lieben, langen Tag auf der Veranda sitzen, Eukalyptus kauen und versuchen, die Musikwelt mit ein paar kauzigen Atonalitäten aus den Angeln zu heben. So könnte Thompson also zum Bill Callahan von Sydney avancieren und der ist ja schließlich auch ein Kind von Kauzigkeit.......

(Diese Rezensionen wurden für das LOUNGE-Magazin geschrieben, das dann aus finanziellen Gründen eingestellt wurde.)


2008/07/24

BOHREN UND DER CLUB OF GORE

DAS LEBEN IST EIN LANGER, DRECKIGER FLUSS

Anlässlich eines Ihrer raren Konzerte kam vor einiger Zeit in Hannovers CAFÈ GLOCKSEE dieses Interview zustande. Anwesend waren Saxophonist Christoph Clöser und Pianist Morten Gass. Das Gespräch führte Claudia Franke.

L: Ich habe vorhin nochmal auf die Internetseite von EPISTROPHY geschaut – da wart Ihr ja früher.Wie kam der Wechsel von Epistrophy zu Wonder zustande? Gab es Zwistigkeiten mit EPISTROPHY ?

CC: Seit ich dabei bin sind wir auf Wonder. Die ersten beiden Platten, bei denen ich nicht dabei war – das kann wahrscheinlich der Morton besser erklären - sind bei Epistrophy erschienen, es hat nie einen Vertrag gegeben, es gab auch keine Zwistigkeiten, er (Frank Ahorner, Inhaber von Epistrophy Anm. d. Redaktion)hat die beiden Platten rausgebracht weil er es mochte. Das war ne relativ einfache Zusammenarbeit‚ so wie ich das verstanden habe, keiner hat sich so recht gekümmert, aber die Platten waren erhältlich.

Seit 1997 wollten wir uns dann verändern. Es gab diverse Interessenten die die Platten machen wollten mit uns. Und dann ( Pause) haben wir uns für Jutta von Wonder entschieden, weil die auf uns den interessantesten Eindruck machte....es wurde einfach insgesamt professioneller, die Musik wurde professioneller - also eine ganz normale Entwicklung.

Jutta hat sich ziemlich ins Zeug gelegt, da ist dann auch mehr passiert, mehr Werbung, mehr Artikel, mehr Interviews (lacht)....(Morton kommt dazu) He Morten, hier die Frage nach Epistrohpy...

(Morton will keine schmutzige Wäsche waschen.)

WIE IST EUER STATUS IM AUSLAND ÜBERHAUPT?

MG: Im Ausland ist halt schwierig erstmal wegen unserem doofen Namen..... Österreich oder Schweiz spielen wir schonmal...

CC: Wir sind nicht so präsent wie man sich das vielleicht wünschen würde von Seiten der Plattenfirma, das hat aber ganz profane Gründe. Wir spielen halt wenig Live, weil wir auch berufstätig sind.

MG: Wir spielen sehr ungern 14 Tage am Stück, da muß man sich Urlaub nehmen und es ist superanstrengend, ich bin jedesmal kurz vorm durchdrehen...(lacht).

AUCH WENN ES VERMUTLICH SCHON 1000x GEFRAGT WURDE: GAB ES JEMALS DIE ÜBERLEGUNG ODER AUCH ANGEBOTE, FILMMUSIK ZU MACHEN?

MG: Also, es gab mal einen Film, "DER DEALER", vor 3-4 Jahren. Wer den gemacht hat, weiß ich nicht mehr, war fürs kleine Fernsehspiel. Der Regisseur hat ein bestimmtes Stück haben wollen, daß es schon gab. Ist ja oft so, dat irgendwas verwurstet wird, wir wollen bloß nicht für jeden blöden Krimi verwurstet werden, weil die meinen, daß dat passen könnte.

Ich hab auch gar keinen Bock, einen Soundtrack zu machen. Wenn jemand etwas von uns verwenden will, soll er kommen und uns fragen, dann guckt man halt.

Bei Filmmusik muß man sich immer unterorden, die brauchen dann was für ne Verfolgungsjagd, für ne Liebesszene und ich weißet nicht. Wir sind dafür auch viel zu eingeschränkt, wir machen ja immer dasselbe.....gibt ja auch so regelrechte Soundtrackbands, die immer wieder verwurstet werden, Goldfrapp z.B.....

SCHLIMMSTENFALLS FÜR WERBUNG....GABS AUS DER RICHTUNG SCHONMAL ANFRAGEN?

M: Nee, wär aber interessant was man damit bewerben würde...

CC: Särge... (Gelächter)

M: Kettensägen......

WENN MAN REZENSIONEN ÜBER EURE PLATTEN LIEST, IST IMMER VON DEN GLEICHEN ASSOZIATIONEN DIE REDE. BELUSTIGT EUCH DIE TATSACHE, DAS MUSIKJOURNALISTEN DIE MUSIK VON BOHREN UND DER CLUB OF GORE ALS HÖRKINO BEGREIFEN UND BEISPIELSWEISE DAVID LYNCH ALS BEZUG IMMER WIEDER AUFTAUCHT?

CC: Das ist in Ordnung. Ist ja auch Hörkino, irgendwo....Manchmal gibts interessante Rezensionen und manche Leute schreiben nur vom Waschzettel der Plattenfirma ab, so wie man das halt selber auch machen würde....(lacht)

1992 HABT IHR EUCH GEGRÜNDET.....

MG: 92 haben wir uns von 7 INCH BOOTS in BOHREN umbenannt weil wir keine anderen Bands mehr nachkaspern wollten. Wir haben vorher eigentlich versucht extremen Metall zu spielen, sind aber immer bei der Hardcorevariante geblieben, daß hing aber mit unserem beschränkten Können zusammen.

GAB ES EINE INITIALZÜNDUNG, BOHREN ZU GRÜNDEN?

M: Die Initialzündung kam auch so ein bißchen durch die Harcoreszene damals, weil da wird man doch auch recht schnell angewidert, von den ganzen Regelwerken. Das hat die Sache eigentlich nur beschleunigt.

Wären wir ne Metallband gewesen, hätten wir bestimmt noch ein paar Jahre länger durchgehalten, da ist das Umfeld einfach angenehmer, die nehmen das nicht alles so genau.....

CC: Da ist die Polizei nicht so streng....

M: Ja, genau....(Lachen) Naja, ich hör dat Zeug ja nach wie vor...aber wenn die sich dann aufregen, wenn einer mal nen Mon Cherie ißt, weil da ja Alkohol drin ist (großes Gelächter)....

CC: Ist ja härter als bei Jazzern....

GUT DAS WIR DARAUF ZU SPRECHEN KOMMEN, MAN LIEST JA IMMER WIEDER, DASS JAZZ SO GAR NICHT EUER DING IST.....

M: Naja, ich hab halt so 10 Standardwerke, so richtig begeistern kann ich mich für Jazz aber nicht. Ich finds zwar gut so vom Sound und von den Instrumenten her, aber irgenwie spielen die nie, was ich von ihnen hören möchte. Deswegen haben wir ja damit angefangen im Grunde genommen.

CC: Ich kann mich auch nicht für Jazz begeistern, ich bin natürlich Saxophonist und hab mit Jazz angefangen, macht man ja wenn man doof ist....

Nun wird unsere Musik oft damit in Verbindung gebracht, Klangbild und Instrumente, Kontrabaß und so. Jazzer sind in der Regel gute Instrumentalisten, machen aber meistens total uninteressante Sachen.

Ich fand es jedenfalls nie attraktiv, als Jazzer bezeichnet zu werden, was ja in weiten Teilen der Bevölkerung als Auszeichnung angesehen wird. Ich fand gut, daß es bei BOHREN so verbindlich ist. Wir machen Songs, auch wenn die lang sind und langsam. Klar komme ich vom Jazz, ich hab das studiert, aber ich mochte eher Punkrock. Zeitgenössischen Jazz find ich ziemlich uninspiriert.

Ein Metallfan würde nie denken, Metall wär der Nabel der Musikwelt. Jazzer denken das aber.

EURE STÜCKE KOMMEN NICHT ÜBER SESSIONS ZUSTANDE. WIE KANN MAN SICH DIE ENTSTEHUNG EINES BOHREN-STÜCKES VORSTELLEN?

M:Tja, ganz normal eigentlich, wie man halt Songs schreibt. Ich mach dann einen kleinen Entwurf und dann trägt jeder seinen Rest dazu bei...

CC: Wir versuchen so wenig wie möglich zu improvisieren. Es geht ja darum: Die Songs sind wie sie sind. Die Improvisation findet vorher statt,

man kommt von der Improvisation zur Komposition, was ich sehr interessant finde. Irgendwann ist es dann eben raus und so wirds dann auch auf der Bühne 1:1 gespielt.

Das ist so einfache Musik und doch so großartig. Das absolute Gegenteil von Jazz, was die Ideologie betrifft.

SADE WIRD JA IMMER WIEDER ANGEFÜHRT...

MG: Ja, 1990 hab ich angefangen SADE zu hören. Vorher warn das natürlich Feindbilder, SADE und SPANDAU BALLET...(lacht)

CC: Der Saxophonist von SADE ist ja auch gut. Wohingegen der von SPANDAU BALLET die Pest ist.....

THEMA ARTWORK UND HORRORFILME....

CC: Ich kenn mich mit Horrorfilmen überhaupt nicht aus...als einziger...hab da jetzt durch die anderen eigentlich erst einen Einblick gefunden....

"Die Nacht der lebenden Toten" sollte meiner Meinung nach in jedem Filmseminar gezeigt werden. Oder „Suspiria“ von Argento....

ZWISCHEN MIDNIGHT RADIO UND SUNSET MISSION LAGEN 5 JAHRE. WIE KAM‘S?

MG:Da liegt ja auch ein kleiner musikalischer Bruch drin. Bei „Midnight Radio“ warn wir 2 Tage im Studio weil nicht mehr Geld da war. Da war ja die Besetzung nur Bass, Schlagzeug, Rhodes. Das wollten wir aber so nicht nochmal machen – wir wollten ne Sadeplatte machen. Also brauchten wir ein Saxophon.

CC: Eigentlich hätte „Sunset Mission“ 1 Jahr früher erscheinen können, aber wir haben ein Jahr nur telefoniert. Ich kannte jemanden der BOHREN kannte, der wiederum hatte mich gefragt und dann hab ich mich mit Morten in Verbindung gesetzt...

MG: Weil klar war, das man Wochen für die Aufnahmen brauchen würde, wir uns aber soviel Studiozeit nicht leisten konnten, haben wir die Aufnahmen dann zuhause gemacht, bei mir im Keller.

(Die Köchin kommt, das Essen ist fertig)

GUT, DANN HERZLICHEN DANK FÜR DAS GESPRÄCH.


Das Interview blieb unveröffentlicht.


2008/07/23

Ridiculum Vitae

unterm baum der erkenntnis
sitze ich
bauchweh
von zu vielen
äpfeln

neue einsichten gewinnen
schon am nächsten tag
vorletzter schrei

der weisheit steilster zahn
auf dem höhepunkt
seines zeniths

zeit totschlagen
zweiten bildungsweg einschlagen

oder lieber jemandem das maul?

nummerngirl im jobcenter
stehrumchen an der ausfallstrasse
eine german kleinigkeit

in der brigitte
wird ein frauen-dj-workshop
angeboten

firma dankt